Unser Weltbild im Wandel | Warum Oikocredit auf die Gall-Peters-Projektion umsteigt
In diesem Beitrag erklärt Nina Alff vom Oikocredit-Förderverein Baden-Württemberg, warum Oikocredit beschlossen hat, auf die Gall-Peters-Projektion der Weltkarte umzustellen.
Karten stellen die Welt nicht nur dar, sie prägen auch unser Bild von ihr. Die Weltkarte in der Gall-Peters-Projektion stellt alle Länder in der richtigen Größe im Verhältnis zueinander dar. Diese Ansicht ist für Oikocredit geeignet, weil wir ein ausgewogeneres und weniger eurozentrisches Weltbild fördern wollen.
Die europäische Sicht auf die Welt: die Mercator-Projektionskarte
Seit fast 500 Jahren ist die Mercator-Projektion die Norm für Weltkarten und wird immer noch häufig in Atlanten, Schulbüchern und an Universitäten verwendet.
Gerardus Mercator, ein flämischer Kartograph, entwickelte diese Karte im Jahr 1569. Die moderne Kartografie hat ihre Wurzeln in der Zeit des europäischen Kolonialismus, als Karten für die Entdeckungsfahrten der Seefahrer*innen auf den Weltmeeren unverzichtbar waren.
Die Mercator-Karte vergrößert Europa und rückt es in den relativen Mittelpunkt der Weltkarte, wodurch der Äquator nach unten verschoben wird.
Die Gall-Peters-Projektion
Die Gall-Peters-Projektion ist nach James Gall und Arno Peters benannt. Gall erläuterte die Projektion 1855 auf einem Wissenschaftskongress und veröffentlichte 1885 eine Abhandlung über sie. Erst in den 1970er Jahren wurde die Projektion einem breiteren Publikum bekannt.
Bei dieser Karte haben die relativen Proportionen der Landmassen Vorrang. Die wichtigste Errungenschaft der Gall-Peters-Karte war die Überarbeitung des Eurozentrismus, der der Mercator-Karte innewohnte, was an sich schon einen Paradigmenwechsel darstellt.
Die Gall-Peters-Karte stellt ein hilfreiches Korrektiv zu den Verzerrungen der traditionellen Karten dar. Und obwohl diese Karte in ihrer Darstellung von Proportionen und Größen genauer ist, geht ihre Bedeutung weit über Fragen der kartografischen Genauigkeit hinaus: Sie stellt unser Weltbild in Frage.
Ihr Kartograph Dr. Arno Peters hatte 1973 Mercators Karte mit den Worten kritisiert: „Sie überbewertet den weißen Mann und verzerrt das Bild der Welt zum Vorteil der damaligen Kolonialherren.“
Es ist unbestritten, dass es keine genauere Karte als jene von Gall-Peters gibt. Allerdings ist auch diese nicht vollkommen genau – keine Karte kann es je sein. Das liegt daran, dass es nicht möglich ist, die 3D-Form der Erde auf ein 2D-Blatt Papier zu übertragen. Das erklärt auch, warum die Gall-Peters-Karte schmaler erscheint als andere Karten.
Weitere Unterschiede zwischen der Gall-Peters-Karte und der Mercator-Karte
Auf der Mercator-Karte scheint der afrikanische Kontinent genauso groß zu sein wie Grönland. In Wirklichkeit könnten 14 grönländische Inseln in die afrikanische Landmasse passen.
Die Mercator-Karte lässt auch Südamerika ähnlich groß wie Europa erscheinen, obwohl Südamerika in Wirklichkeit fast doppelt so groß ist. Und Finnland sieht von Norden nach Süden länger aus als Indien, obwohl es in Wirklichkeit genau umgekehrt ist.
Die Gall-Peters-Karte hingegen schneidet die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Europa auf ihre angemessene Größe zu.
Heute wird die Gall-Peters-Karte in Bildungs- und Wirtschaftskreisen immer häufiger als Symbol für das moderne Konzept der weltweiten Gleichberechtigung verwendet.
Gleichberechtigung steht im Mittelpunkt der Arbeit von Oikocredit, und wir betrachten die Verwendung dieser Karte als einen wichtigen Schritt, um dies zum Ausdruck zu bringen.
Nina Alff ist beim Oikocredit-Förderkreis Baden-Württemberg für transformatives Lernen zuständig. Sie ist außerdem Geografin.
Quellen
https://www.oxfordcartographers.com/our-maps/peters-projection-map/